Autor Thema: Regeln bei langen Totzeiten z.B. von EnOcean-Komponenten  (Gelesen 13276 mal)

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gollo48

  • Gast
Regeln bei langen Totzeiten z.B. von EnOcean-Komponenten
« am: 20. Dezember 2010, 20:43:32 »
Hi,
im Thread Bedarfsgeführte Heizungsregelung habe ich das Thema EnOcean schon angesprochen, siehe hier
(Link führt direkt zu dem betreffenden Beitrag)
Hier geht es mir um einen Regelungsproblematik, die generell beim Einsatz von Funk basierten Komponenten mit längeren Sendeintervallen auftritt.

EnOcean-basierte Sensoren und Stellantriebe machen gern ein "Schläfchen", um sehr sparsam mit der geringenden verfügbaren Hilfsenergie umzugehen. Raumfühler z.B. wachen alle 100 ... 110sec auf und senden nur, wenn sich die Temperatur oder Feuchtigkeit gegenüber vorher um mehr als die einprogrammierte Ansprechschwelle geändert hat. Ansonsten senden sie nur alle 1000...1100 sec oder noch seltener.
Das Sendeintervall z.B. des Ventilaktors/Stellantriebs MD15-Ftl von Kieback&Peter beträgt sogar ca. 10  Minuten.
Ansonsten "schlafen" diese Teile, um Energie zu sparen, sind also nicht ansprechbar.

Mit solchen Teilen und einem PID-Regler will ich z.B. Raumtemperaturen, Vorlauftemperatur usw. regeln. (Funk ist Muss, Verkabelung geht nicht im Altbau).
Die Funkerei als solche geht einwandfrei. Soweit gut. Aber die Festlegung geeigneter PID-Parameter gestaltet sich schwierig.
Es summieren sich ja die Totzeiten von Sensor plus Aktor im obigen Beispiel auf immerhin rund 12 Minuten - oder sogar mehrfaches, wenn sich die Regelgröße nur wenig ändert.
Hinzu kommt die Trägheit eines Heizungssystems.
Man reagiert systembedingt also grundsätzlich deutlich zu spät auf Abweichungen. Es dauert "ewig" (zumindest gefühlt) bis man die Wirkung einer Änderung der Stellgröße zurückgemeldet bekommt und dann der Aktor reagiert.

Drei große Fragen:
Wie P-Anteil/Verstärkung einstellen? Zum ausregeln von Störungen eher schwach, sonst überschiesst man schnell?
Tn: Schnell oder langsam integrieren?
Tv: D-Anteil nutzen, um Änderungsgeschwindigkeit zu berücksichtigen? (sonst bei Raumreglern meines Wissens unüblich)

Aus meinen bisherigen Tests habe ich den Eindruck, dass sich anscheinend deutliche Schwankungen/Schwingungen der Regelgröße bei einer solchen Konfiguration, bei solchen Totzeiten nicht vermeiden lassen.
Wie sind die Erfahrungen anderer mit PID-Reglern bei solchen Totzeiten?
Gruß
gollo

Regelgroesse

  • Gast
Re:Regeln bei langen Totzeiten z.B. von EnOcean-Komponenten
« Antwort #1 am: 27. Dezember 2010, 23:06:29 »
Hi gollo,

Raumtemperaturregelung ist auf Grund der langen Totzeiten der Regelstrecke generell problematisch. Auf die 10 Minuten Sendeintervall dürfte es dabei kaum ankommen. Wenn sich die Regelgröße nur wenig ändert, wird sie aber zur Berechnung der Stellgröße auch nicht in kurzen Intervallen benötigt.

Zu Deiner Frage hätte ich zwei Lösungsansätze:

1. Wenn es schnell gehen muss:
Tv=0, Tn=30min, Kp so einstellen, dass 2K Regelabweichung Raumtemperatur zu einer Stellausgabe Y=100% führen. Prüfen und ggf. nachjustieren.
Kp verkleinern, wenn es schwingt. Kp vergrößern, wenn es zu lange dauert, bis die Regelabweichung abgebaut wird.

2. Einstellung nach Ziegler-Nichols (wenn Du viel Zeit zur Einregulierung hast):
Regler als P-Regler einstellen (Tv=0, Tn=sehr groß).
Kp so lange vergrößern, bis es anfängt, zu schwingen (Kpkrit erreicht).
Messung der Schwingungsdauer mit Stoppuhr (Tkrit).
PI-Regler: Kp = 0,45 x Kpkrit, Tn = 0,85 x Tkrit
PID-Regler: Kp = 0,6 x Kpkrit, Tn = 0,5 x Tkrit, Tv = 0,125 x Tkrit
Der D-Anteil ist in Regelkreisen hilfreich, die sehr schnell auf Lastwechsel reagieren müssen, was bei einer Raumtemperaturregelung normalerweise nicht der Fall ist. Ein gut eingestellter PID-Regler kann aber auch dort nicht schaden.

Eine Raumtemperaturregelung mit konventionellen elektrothermischen Ventilantrieben kann durchaus etwas schwingen.
Bei Funk-Stellantrieben dagegen dürfte häufiges Verfahren zum schnellen Ableben der Batterien führen.

Poste mal, zu welchen Ergebnissen Du gekommen bist.

Gruß
Thomas

gollo48

  • Gast
Re:Regeln bei langen Totzeiten z.B. von EnOcean-Komponenten
« Antwort #2 am: 12. Januar 2011, 20:17:09 »
Meine Überlegungen gehen auch in die Richtung.
Da das mit den Schwingungen für die Z-N-Methode nicht so schön ist - und furchtbar langwierig, überlege ich, Relaistest nach Aström-Hägglund auszuprobieren.
Hat da jemand Erfahrungen?
Gruß
gollo




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Re:Regeln bei langen Totzeiten z.B. von EnOcean-Komponenten
« Antwort #3 am: 12. Januar 2011, 21:45:15 »
überlege ich, Relaistest nach Aström-Hägglund auszuprobieren.
Hat da jemand Erfahrungen?

Schau doch mal hier.:  http://www.ece.rutgers.edu/~gajic/IEEETalk.pdf

gollo48

  • Gast
Re:Regeln bei langen Totzeiten z.B. von EnOcean-Komponenten
« Antwort #4 am: 13. Januar 2011, 15:58:02 »
Danke Karl.
Ich habe auch noch weitergesucht. Ich empfehle, mal nach "vandoren relay method" zu googeln.


@Regelgroesse/Thomas:
... Auf die 10 Minuten Sendeintervall dürfte es dabei kaum ankommen. Wenn sich die Regelgröße nur wenig ändert, wird sie aber zur Berechnung der Stellgröße auch nicht in kurzen Intervallen benötigt.
Die Regelgröße=Raumtemperatur kann sich - bei Störungen - in 10min aber durchaus signifikant ändern. Schon durch Messungen bestätigt.

...Kp so einstellen, dass 2K Regelabweichung Raumtemperatur zu einer Stellausgabe Y=100% führen. Prüfen und ggf. nachjustieren. Kp verkleinern, wenn es schwingt. ...
Dachte ich auch zuerst, aber 100% bei 2K führen bei den Totzeiten schon zu mehrfachen deutlichen (=fühlbaren) Überschwingern.
Also Kp kleiner ==> Aufheizen dauert länger  :(

Das mit dem Schwingen nach Ziegler-Nichols ist nicht so gut für die Art von Anwendung.
Dachte auch schon an die Sprungantwort-Methode. Aber durch die Sendeintervalle=Totzeiten und Auflösung der EnOcean-Raumfühler bekommt man keine praktisch nutzbaren Daten, um die Zeiten und Steigung zu errechnen. Nochmals :(


Der D-Anteil ist in Regelkreisen hilfreich, die sehr schnell auf Lastwechsel reagieren müssen, was bei einer Raumtemperaturregelung normalerweise nicht der Fall ist.
Ein "sehr schneller Lastwechsel" ergibt sich z.B. dadurch, dass man nach etlichen Minuten Funkstille plötzlich einen Temperatursprung von 0,9K (Ansprechschwelle vieler Enocean-Raumfühler) oder mehr gemeldet bekommt. Was machst du dann ???
Deswegen dachte ich daran, den D-Anteil - vorsichtig - zu nutzen.

Gruß vom grübelnden gollo